Spiel & Buch: Spielungen – Rücke vor zum Arkadenhof

Uwe K. Frohns berichtet über die Entstehung und Entwicklung von Spieleautorenabenden in seinem Ratinger Geschäft "Spiel & Buch", die er Spielungen nennt – angelehnt an die Lesungen von Buchautoren.

Nicolaas Frederik Franziskus Xaverius Neuwahl ist an allem Schuld. Na ja … nicht an allem. Aber der „Spieleautorenabend“, den „Spiel & Buch“ in seinem Ladenlokal auf dem Arkadenhof in der Ratinger Innenstadt seit Oktober 2005 regelmäßig durchführt, wäre ohne ihn, besser bekannt unter seinem Vornamen Niek, wahrscheinlich nie entstanden. Doch der Reihe nach.

Im Oktober 2003 eröffneten meine Frau Karin und ich in Ratingen, mittig zwischen Düsseldorf und Essen gelegen, das Einzelhandelsgeschäft „Spiel & Buch“. Kein üblicher Spielwarenladen sollte es sein. Auch kein normaler Buchhandel. Sondern ein Laden, der die Wünsche kleiner und großer Menschen nach intelligenter und sinnvoller Beschäftigung erfüllen will. Nach Dingen, die das Leben schöner machen. Kommt man bei diesem Ansatz an guten Gesellschafts- und Strategiespielen vorbei? An Spielen für all jene, „die Denken nicht als Arbeit, sondern als Vergnügen betrachten“, wie Steffen Mühlhäuser (Steffen-Spiele) so treffend bemerkte? Natürlich nicht. Spiele dieser Art standen bei der Geschäftsgründung damals im Mittelpunkt. Sie waren der Kern und sie sind es bis heute geblieben. Auch wenn in all den Jahren so manches dazu gekommen ist. Zum Beispiel das Sortiment für „Kleinkinder“ – von Sigikid bis zum Klassiker „Obstgarten“. Literatur und Medien haben ihren Anteil erhöht. Das gute Design, das wir bei der Auswahl von Spielen immer im Auge hatten (so sind die Spiele herausragender Qualität von der Manufaktur Clemens Gerhards von Anfang an dabei), steht auch bei anderen Produkten immer im Mittelpunkt.

Klar war von Beginn an: Wir wollen die Spieleerfinder – oder besser gesagt: die Spieleautoren – in das Konzept einbinden. Sie kennenlernen. Möglichst alle. Oder zumindest so viele wie möglich. Direkt oder indirekt. Auf Messen in Nürnberg und Essen. Zum Spieleautorentreffen in Göttingen. Auf Spieleschulungen der Verlage. Bei lokalen Spieletreffs. Durch direkte Kontaktaufnahme. Also auf vielen Wegen und bei vielen Gelegenheiten. Wir waren häufig unterwegs.

Niek Neuwahl haben wir, wenn uns die Erinnerung nicht täuscht, 2004 in Göttingen kennengelernt. Bernward Thole, den Gründer des Deutschen Spielarchivs, schon Mitte der 90er Jahre in Marburg. Horst Alexander Renz etwa zur gleichen Zeit - auf ganz ungewöhnlichem Wege. Reinhold Wittig in seinem inspirierenden Häuschen. Und weitere wie Jens Peter Schliemann, Klaus Zoch im Lauf der Jahre. Daraus erwuchs dann im Spätsommer 2005 die Idee, unsere „Begleiter“ nicht nur hier oder dort zu treffen, sondern einmal zum Abendessen in unseren damals gerade mal 65 Quadratmeter großen Laden einzuladen. Waren also nur noch – nomen nominandum (N.N.) – die zu finden, die unbedingt dabei sein sollten. Als Erster natürlich Niek Neuwahl. Er sagte spontan zu. Und schlug vor, Kunden dazu zu bitten, um sich gegenseitig kennenzulernen, miteinander zu sprechen und vor allem zu spielen. Was für eine großartige Idee! Warum waren wir nicht selbst darauf gekommen? Weil wir uns, in diesem frühen Stadium unseres Spiele-Einzelhandels-Daseins, nicht getraut hätten. Lieber Niek: Dank für diese Ermutigung bis ans Ende aller Tage!

Denn der Spieleautorenabend – oder die „Spielung“, wie wir gern in Anlehnung an die „Lesung“ von Buchautoren sagen – besitzt inzwischen so etwas wie eine junge Tradition. Hier eine Übersicht zu den Autoren, die bislang in Ratingen vor das geneigte Publikum traten:

Oktober 2005: Niek Neuwahl (Florenz), Bernhard Schweitzer (Aschaffenburg), Dieter Juncker (Kassel)

April 2006: Uwe Rosenberg (Dortmund), Marcel-André Casasola-Merkle (Köln)

Oktober 2006: Bernward Thole, Mitbegründer „Spiel des Jahres“ (Marburg), Ludwig Gerhards (Ransbach-Baumbach), Frank Stark (St. Georgen/Schwarzwald), Fred Horn (Den Haag)

April 2007: Frank Czarnetzki alias Czarnè (Wuppertal)

Oktober 2007: Michael Antonow (Köln), Reinhold Wittig (Göttingen), Ingo Althöfer (Jena)

April 2008: Jens-Peter Schliemann (Köln), Uwe Rosenberg (Dortmund)

Oktober 2008: Steffen Mühlhäuser (Krastel/Hunsrück), Klaus Zoch (München)

Mai 2009: Heinrich Glumpler (Köln), Klaus-Jürgen Wrede (Bad Honnef)

Oktober 2009: Friedemann Friese (Bremen), Andrea Meyer (Berlin), Horst Alexander Renz (München)

Oktober 2010: Dirk Baumann (Köln), Max Kobbert (Münster), Stefan Risthaus (Wolfsburg)

Oktober 2011: Guido Hoffmann (Wien), Jens-Peter Schliemann (Köln), Andreas Kuhnekath (Mönchengladbach);     Überraschungsgäste: Tom Werneck (Haar), Bernward Thole (Marburg)

Oktober 2012: Bruce Allen (Marburg), Dieter Stein (Freising), Rolf Vogt (Nürnberg)

Oktober 2013: Christoph Cantzler (Hamburg), Bruno Faidutti (Paris), Fred Horn (Den Haag), Anja Wrede (Berlin)

Wir haben in all den Jahren viele schöne, überraschende und kurzweilige Abende mit unseren Gästen erlebt. Unvergesslich die Erzählungen von Frank Stark (von seinen starken Kartenspielen mal ganz abgesehen). Unvergesslich das Zusammentreffen von Klaus Zoch mit Steffen Mühlhäuser, der einen alten ablehnenden Brief des Zoch-Verlages aus der Tasche zog, der wiederum dazu geführt hatte, dass Mühlhäuser seinen eigenen Spieleverlag gründete. Wir sind froh, dass es so kam. Unvergesslich auch, dass plötzlich Tom Werneck aus dem Auto stieg und wir ihn, einfach so en passant und ungeplant, kennenlernen durften.

Wie läuft so eine „Spielung“ ab? Zunächst Eintreffen der Matadore (meistens pünktlich, also spätestens kurz vor 20 Uhr, im Extremfall aber auch wegen widriger Umstände wie Stau erst kurz vor 21 Uhr. Wie einst Czarnè, der es aus Wuppertal nicht allzu weit hatte, aber was heißt das schon auf der A 44 Richtung Düsseldorf? Wir mussten solange die Gäste bei Laune halten. Dann Wurstbrötchen zur Stärkung. Drittens: Vorstellung des oder der Spieleautoren. Woher sie kommen, wohin sie gehen. Ein paar Worte der Autoren zur eigenen Person und/oder zum Spiel, das sie heute Abend vorstellen wollen. Und dann: Spielen! Mit Gästen, die gespannt sind wie die Flitzebogen. Sonst wären sie nicht gekommen. Zwischen 25 und 35 sind es jedes Mal. In einer solchen Runde stellte Uwe Rosenberg im April 2008 ein damals noch namenloses Strategiespiel vor, um die Resonanz zu testen und vielleicht ein paar wichtige Hinweise zur Abrundung des Spiels mitzunehmen. Daraus wurde 2007 „Agricola“ - etwas später ausgezeichnet als komplexes Spiel des Jahres 2008. Oder nehmen wir den Spieleautorenabend 2011. Guido Hoffmann hatte längst zugesagt, zu kommen. Aber würde auch sein neues Spiel „Gary Gouda“ dabei sein? Der Autor vor Ort, aber ohne vorzeigbares Ergebnis? Noch einen Tag vorher sah es so düster aus. Im Verlag wusste auch keiner so recht Bescheid. Entwarnung erst eine halbe Stunde vor Beginn der „Spielung“ – Guido Hoffmann kam mit einer Tüte unter dem Arm. Aufatmen.

Irgendwas ist eben immer. Nach einem warmen Essen kurz vor Mitternacht mit den Spieleautoren, Wegbeschreibungen, wie man aus Ratingen raus die Autobahn wiederfindet und notwendigen Aufräumaktionen lassen wir den Abend spätnachts noch mal Revue passieren, überlegen, was man hätte besser machen können, ärgern uns noch mal über allzu mickrige Ankündigungen des Abends in der örtlichen Presse und fallen dann todmüde ins Bett. Allerdings nicht, ohne vorher überlegt zu haben, wen wir im nächsten Jahr unbedingt mal zur „Spielung“ dabei haben wollen. Es gibt da immer ein paar heiße Kandidat(inn)en.

Vielleicht machen wir nächstes Jahr auch einen reinen Frauenabend. Die Moderation gebe ich an meine Frau ab, die Spiele sowieso besser erklären kann als ich. Als Spieleautorinnen dabei sind Liesbeth Bos und Anja Dreier-Brückner, als lokale Repräsentantin die Ratinger Kulturamtsleiterin Andrea Töpfer, als Schirmherrin Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und als Überraschungsgast Vanna Neuwahl, die vom aufreibenden und jetzt ruhigeren Zusammenleben mit einem international gefragten Spieleautoren berichtet. Der, wie gesagt, an fast allem Schuld ist.

Falls dies nicht klappt, hätten wir noch eine andere Idee: Endlich mal Johann Rüttinger und Kathi Kappler (Drei Hasen in der Abendsonne) zum Spieleautorenabend hier zu haben (einer von den drei Hasen war mit dem Illustrator Rolf Vogt 2012 ja schon da). Und dazu unbedingt den genialen Jacques Zeimet. Von A wie Arkadenhof bis Z wie Zeimet – das wär´s. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Darüber sollten wir vielleicht mal mit Niek sprechen.

Uwe K. Frohns, Spiel & Buch

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